Zur Charakterwahl (Charakterotropismus)

Ines Grämiger, 2012



In einem Fernsehbeitrag, dessen Eckdaten ich leider nicht mehr „erwischte“ und deshalb nicht angeben kann, wurden die neuesten Erkenntnisse über die Genese des Stotterns festgehalten.

Schon früh habe ich begonnen, einen Teil des Szonditests (die Latenzproportion) nicht nur nach dem Prinzip von Berufs- und Hobbywahl (=Operotropismus), nach dem Prinzip der Partnerwahl (=Libidotropismus) und dem Prinzip der Krankheitswahl (=Morbotropismus) zu deuten, sondern auch nach dem von mir postulierten Prinzip der Charakterwahl (=Charakterotropismus.)

Das heisst, ich habe die die 10 Triebprofile zusammenfassende Strukturformel (die Latenzproportion) immer auch als Charakterbild beschrieben und fügte so den Unterkategorien des Genotropismus (der These, dass die Bedürfnisse/Gene die Wahlen lenken) nach L.Szondi noch die These des Charakterotropismus hinzu.

Dadurch entsteht eine Charakterologie, welche auf der Annahme basiert, dass auch der Charakter durch die szondianischen Triebbedürfnisse des Menschen gebildet wird. Dies heisst, dass der Mensch auch seinen Charakter wählt und dass auch dieser teilweise genetisch verankert ist.

Man wählt sich also auch seinen Charakter aufgrund der eigenen Bedürfnisse.

Nun bin ich hocherfreut, in einer Szondiana (1998, Heft 2) im Artikel „Gespräche mit Leopold Szondi“ von Cornelis H. Rhyn auf eine interessante Aussage von Szondi gestossen zu sein.

Szondi betont in diesem Gespräch, dass er glaube, dass die Triebtheorie der Schicksalsanalyse auch die Charakterologie enthalte. Er ermutigte den Interviewer, Texte zu schreiben zu Persönlichkeit, Charakter und Triebstruktur und erwähnte die Notwendigkeit einer neuen Charakterologie.

Ich denke, wir besitzen in Form des Szondi-Testes ein wunderbares Instrument zur Beschreibung des Charakters eines Menschen und zur Entwicklung einer Charakterologie, welche auf den 8, respektive 16 Triebbedürfnissen beruht.

russische_uebersetzungen.pdf