Neue Prüfungsstrukturen bei den Diplomprüfungen in Szondi-Test-Diagnostik am Szondi-Institut ZH

(Ines Grämiger, Studien- und Kursleiterin des Ausbildungsganges)

Anlässlich der diesjährigen Diplomprüfungen im 2012 erprobte ich ein völlig neues Prüfungsmodell, natürlich mit dem Einverständnis und in Absprache mit sämtlichen Teilnehmerinnen des Ausbildungskurses – denn das vorgeschlagene Prüfungsmodell verlangt sehr viel Offenheit und gegenseitiges Vertrauen von den Diplomandinnen.

1) Bei diesem neuen Prüfungsmodell ist die Diplomandin nicht mehr wie bisher allein an der Prüfung gegenüber den 2 PrüfungsexpertInnen und dem offiziellen Beisitzer des Szondi-Institutes, sondern sämtliche Teilnehmerinnen der Ausbildung sind als Zuhörerinnen an der mündlich erfolgenden Prüfung anwesend und verfolgen die Prüfung anfangs schweigend in der „zweiten“ Reihe hinter den PrüfungsexpertInnen.

2) Sie alle haben vorher, ebenso wie die Diplomandin, innerhalb von 6o Minuten den Diplomfall still für sich, in verschiedenen Zimmern des Institutes, ausgewertet.

Die Diplomandin ist mithin sowohl in der Vorbereitungszeit wie auch während der mündlichen Prüfung nicht mehr allein, isoliert und nur mit den Experten konfrontiert, sondern erlebt die Anwesenheit sämtlicher ihrer Mitkolleginnen. Es ist in der Vorbereitungs-Stunde eine schweigende Konzentration im ganzen Haus zu verspüren, eine schöne, gemeinsam getragene Atmosphäre.

Dadurch aber wird auch der Lernwert und der Sinn jeglicher Prüfung erweitert: sämtliche Teilnehmerinnen haben den Gewinn, die Fälle sämtlicher DiplomandInnen à fond kennenzulernen und an diesen praktisch zu üben. Bei der Diplomierung des jetzigen Ausbildungsganges könnten dies insgesamt 7 Fälle sein, welche sie alle auswerten (statt nur den eigenen Prüfungsfall!).

3) Die Prüfung hat nicht mehr nur den Sinn, die Diplomandin zu examinieren, sondern hat einen Lerneffekt auf die ganze Ausbildungs-Klasse. Da 60 Minuten Vorbereitungszeit wenig Zeit ist, müssen sich alle auf das Wesentliche konzentrieren und die Unterlagen (Szondi-Test, Lebensgeschichtliche Angaben, Stammbaum, andere Teste wie Wartegg, Baumtest, Zeichnungen, Handschrift oder Fotos etc.) auf Wichtiges hin durchforsten und somit lernen, Unwichtiges an zweite Stelle zu setzen. Sie lernen dadurch, vom Szondi-Test und seiner vorrangigen Auswertung ausgehend, das sekundäre Material in Windeseile auf Stichhaltiges hin zu sichten und mit dem Szondi-Test in Beziehung zu setzen.

Dies verlangt automatisch äusserst umfassende, auswendig abrufbare Kenntnisse des Tests und ein rasche Integration der zusätzlichen Daten – denn langwieriges Nachschlagen und Zurateziehen der mitgebrachten Kompendien und Kursunterlagen ist nicht möglich in dieser knappen Zeitspanne.

4) Während der mündlichen Prüfung der Diplomandin (45 Min.), wertet diese den vorgelegten Fall in eigener Regie und Strukturierung, ohne vorgegebenes Prozedere, aus; das heisst, sie kann den Deutungsablauf dem jeweiligen Fall anpassen. Gegen Ende der Fallinterpretation erfolgen einige Rückfragen der Expertinnen an sie.

5) Darauf findet eine gemeinsame Diskussionszeit aller Anwesenden (der Prüfenden, der Diplomandin, der ZuhörerInnen) statt, während der alle spontan Feedback geben, ihre Assoziationen einbringen, den Fall und vor allem auch ihre Gegenübertragungen gemeinsam diskutieren. Es entsteht ein gemeinsamer Raum für eine fast gruppendynamische, sachliche Deutung des Falles sowie der ausgelösten Gegenübertragungs-Gefühle. Zusätzliche Deutungen und Erfahrungsschilderungen der ExpertInnen aus deren eigener Praxis können auf diese Weise ebenfalls zur Erkenntniserweiterung der Diplomandinnen beitragen.

6) Nachher ziehen sich die ExpertInnen zu einer gemeinsamen Besprechung und Bewertung der Diplomandin zurück – um dieser danach ein qualitativ umfassendes Feedback zu ihren Leistungen zu geben und ihr (hoffentlich) ihr Diplom zu übergeben.

7) Vor den Diplomprüfungen mussten sämtliche DiplomandInnen schriftlich einen Diplomfall abgeben, welcher dann einer anderen Diplomandin als Prüfungsfalls diente. Das heisst, sie mussten nach der Zwischenprüfung nun einen weiteren Szonditest samt Zusatzinformationen einbringen und diesen so zubereiten, dass er prüfungsreif und didaktisch für eine Prüfung geeignet ist, was sehr hohe Anforderungen an klare Schilderungen und Zentrierung auf valide, aussagekräftige Daten aus dem Leben des Szondi-Test-Probanden verlangt.

Damit hier kein Betrug auftreten kann, unterzeichneten sämtliche Teilnehmerinnen eine Geheimhaltungsklausel, in der sie versprachen, keinem der Teilnehmerinnen, natürlich vor allem nicht der Diplomandin allfällige Informationen über den Diplomfall vorhergehend zukommen zu lassen.

8) Es zeigte sich, dass dieses Gemeinsame der Prüfungen auch emotionell die Gruppe zusammenschweisste, was sich auch in stimmungsintensiven gemeinsamen Mittag- oder Abendessen auswärts im Restaurant und in sehr gelungenen Schluss-Aperos im Foyer des Institutes niederschlug. Es gab auch bei diesen informellen Begegnungen noch zusätzlichen, regen Austausch über den Fall, übereigene Erfahrungen, Betroffenheit etc. – was wiederum den Lerneffekt erhöhte.

9) Von der zeitlichen Gestaltung her neu war auch, dass der Diplomtermin von den Diplomandinnen (und den Zuhörerinnen) selbst bestimmt werden konnte, sodass eine solche Prüfung stattfindet, wenn sich jemand dazu bereit fühlt.

10) Von einer schriftlichen Prüfung wurde, um unnötigen Zeitaufwand vonseiten der Diplomanden und vonseiten der Dozierenden/Prüfenden für Korrekturarbeiten, zu vermeiden, abgesehen. Schriftliche Prüfungen sind meines erachtens vom Aufwand her gesehen und im Vergleich zum Ertrag völlig unökonomisch und spiegeln nicht die Realität einer Szondi-Test-DiagnostikerIn wieder, welche kaum je schriftliche Auswertungen, sondern vorwiegend mündliche Besprechungen macht.

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