Zur Entstehung des Szondi-Testes
(Die erste, zündende Idee von L.Szondi)

Haben Sie keine Berührungsängste mit dem Thema der Psychiatrie!

Psychiatrisch Erkrankte sind nur Menschen, deren normale Bedürfnisse sich in überzeichneter, übertriebener Form äussern.

Der psychiatrisch Erkrankte zeigt uns Gesunden in einem vergrösserten Spiegel unsere normalen, menschlichen Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse sind aber bei ihm aus dem Gleichgewicht geraten.

Deshalb ist die Auseinandersetzung mit der Psychiatrie eine sehr lehrreiche Erfahrung – und sollte nicht vorwiegend mit Angst und Abwehr besetzt sein..

Das nachfolgend beschriebene Experiment kann deshalb auch mit Gesunden gemacht werden, mit den behandelnden Aerzten, den Pflegern und Pflegerinnen, dem Hauspersonal und allen Besuchern einer Klinik.

Nutzen Sie selber diese Chance, wenn Sie z.B. einen Angehörigen oder Bekannten in einem Spital besuchen (z..B.beim Besuch eines Deprrssiven, eines Suizidalen) – denn Sie werden dort auch, ähnlich wie nachfolgend beschrieben, anderen Insassen und Krankheitsgruppen begegnen.


Der Szonditest als Simulation unseres Eintrittes in den Wachsaal einer psychiatrischen Klinik!

Meines Wissens hat Leopold Szondi über die Entstehung des Szondi-Testes, seine primäre, zündende Grund-Idee, nirgends schriftliche Aufzeichnungen hinterlassen, hat mir diese aber in den Zeiten unseres gemeinsamen Arbeitens und Forschens am Szondi-Institut mündlich übermittelt:

Es war zu den Zeiten, als Szondi als junger Arzt und Auszubildender in Ungarn in einer psychiatrischen Klinik arbeitete, wo er in der Gruppe von jungen Fachärzten Diagnosen der Neu-Eintretenden zu erstellen hatte. Damals waren in den Kliniken sämtliche Patienten oder Insassen tagsüber gemeinsam im sogenannten „Wachsaal“ beieinander versammelt und verbrachten dort die Stunden des Alltags miteinander. Es war also ein Sammelsurium von Patienten mit den verschiedensten Diagnosen und Störungen im selben Raum. Da waren Schizophrene, Depressive, Maniker, Zwangskranke, Epileptiker, Psychopathen, Hysteriker in einer einzigen grossen Ansammlung beisammen – und die Dynamiken unter ihnen konnten sehr gut beobachtet werden.

Die jungen ärzte stellten nun fest, dass sich Patienten mit derselben Diagnose mit Vorliebe gegenseitig „anzogen“ und sich freiwillig in besonderen Ecken des Riesensaales zusammenscharten zum Sitzen, zum Reden und zum Arbeiten. Da die jungen ärzte sich betreffend Diagnosestellung oft quälten und unsicher waren, war es für sie oft eine Hilfe, diese spontanen Gruppenbildungen gemäss den Kriterien derselben Diagnose zu beobachten und in ihre Diagnose-Findung einzubeziehen. Sie machten sich deshalb auch ein besonderes, spannendes Spiel daraus, vor allem die Neu-Eintretenden zu beobachten und zu registrieren, zu welcher Krankheitsgruppe sie hingingen, wenn sie erstmals den Wachsaal betraten und auf Andere zugingen. Sie arbeiteten u.a. mit der These, dass sich die Patienten ihre Diagnose selber gäben.

Es waren da neue Patienten, die sich spontan und eindeutig für eine Gruppe entschieden, sich mithin ihre Diagnose sehr rasch und klar selbst gaben. Andere wiederum schwankten oft auch zwischen zwei verschiedenen Gruppen hin und her, genauso wie die ärzte sich nicht schlüssig waren, ob diese oder jene Diagnose zuträfe, was möglicherweise auch auf eine Misch-Diagnose hinweisen konnte. Die jungen ärzte kamen wohl zu ihren Diagnosen durch andere und weitere Einzel-Beobachtungen der Patienten, durch Gespräche, Lebenslauf- und Symptomanalysen, aber andererseits nahmen sie auch sehr ernst, welche Diagnose sich die Patienten selbst gaben.

Am liebsten hätte der junge Szondi natürlich auch ambulante Patienten oder Gesunde, mit denen er forschte, in den Wachsaal mitgenommen und die Gruppenprozesse beobachtet. Aber da dies nicht möglich war, kam er auf die Idee, Prototypen aller diagnostischen, klassischen Erkrankungen als Portraits zu fotographieren – quasi den Wachsaal zu uns in die Aussenwelt zu bringen und den Wachsaal und unseren Eintritt in denselben zu simulieren. Wenn wir also den Szondi-Test machen, wählen wir selbst, zu welcher Gruppe im Wachsaal wir uns in Sympathie hingezogen fühlen.

Wir geben uns mithin selbst die Diagnose!

Szondi entdeckte natürlich sehr rasch, dass es durch den Szondi-Test möglich wurde, noch viel komplexere Strukturen aufzudecken: Er konnte auch eine Antipathie-Wahl verlangen (was sich im Wachsaal oft weniger klar eruieren liess).

Ausserdem war es aufgrund der Fotographie-Wahlen auch möglich, Unentschiedenheiten und Ambivalenzen klar sichtbar zu machen (es gibt neben der reinen Sympathie- oder Antipathie-Wahl auch eine ambivalente Wahl).

Zudem konnte er auch zwei verschiedene Wahlvorgänge konstruieren: den 1. Wahlgang (4 Bilder aus 8 Fotos) / den Vordergänger (welcher unserem unbewussten Alltagscharakter entspricht) und den zweiten Wahlgang (die übriggebliebenen 4 Bilder) / den Hintergänger (welcher einer tieferen Schicht des Unbewussten entspricht).

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